Als staatliche Einrichtung ist Schule ein Ort, an dem gesellschaftliche Normen und Werte an Schüler_innen vermittelt werden. Dass diese Regeln der Gesellschaft nicht gerade zu mehr Freiheit und Selbstbestimmtheit beitragen, zeigt sich in vielen Bereichen des schulischen Alltags: Sanktionierung durch Noten, Konkurrenzdenken, Leistungsdruck…
Aber auch in Bezug auf Geschlechterfragen liegt Einiges im Argen. Jungen_Mädchen werden zwar gemeinsam unterrichtet, sie sind jedoch keineswegs gleichberechtigt. Schule vermittelt eine engstirnige Vorstellung von Geschlechtlichkeit und Sexualität: Schüler_innen werden in Rollenmuster gezwängt und lernen, was typisch „weiblich“ und „männlich“ sein soll. Konzepte, welche sich außerhalb dieser Vorstellungen bewegen, haben in der Schule keinen Platz.

„adults as idiots“
Lehrer_innen sind wenig frei von gesellschaftlichen Einflüssen und spielen bei der Reproduktion von Geschlechterhierarchien und – stereotypen in der Schule eine entscheidende Rolle.
Sieht man sich Statistiken an, arbeiten die meisten Frauen auf unterster Ebene als Grundschullehrerinnen, die wenigsten sind Schulleiterinnen an Gymnasien oder gar Schulrätinnen. So sehen sich Schüler_innen durch diese Geschlechterverhältnisse in ihrer unmittelbaren Umgebung natürlich in ihren Rollenzuschreibungen bestätigt.
Außerdem zeigen Studien, dass Jungen von den Lehrer_innen ungefähr zwei Drittel der Aufmerksamkeit geschenkt bekommen. Jungen werden viel häufiger zur Disziplin ermahnt, getadelt, aber auch viel häufiger gelobt. Dadurch haben sie nicht nur viel mehr Kontakt zu den Lehrer_innen, sondern erhalten für ihre Leistungen, ob positiv oder negativ, viel mehr Feedback.
Dieses ist natürlich auch geschlechtsspezifisch geprägt: Jungen werden entsprechend der Rollenbeschreibung für fähig, aber faul, Mädchen dagegen für untalentiert, aber fleißig gehalten.
Das wirkt sich dann auf die Erklärung von Erfolg und Misserfolg aus: Männlicher Erfolg wird von den Lehrer_innen auf Intelligenz, Kreativität usw., also auf Kompetenz zurückgeführt, ihr Misserfolg auf Faulheit oder mangelnde Motivation. Bei den Mädchen hingegen gilt Erfolg als Ergebnis von Fleiß und Ordnung, Misserfolg als Resultat ihrer Inkompetenz. Daraus ergeben sich geschlechtsspezifisch unterschiedliche Folgen für die Entwicklung des Selbsvertrauens der Schüler_innen.
Trotzdem erzielen Mädchen nicht schlechtere Noten in der Schule als Jungen. Ganz im Gegenteil – auf den ersten Blick scheinen Mädchen das bessere Stück vom Kuchen erwischt zu haben: Sie haben meist bessere Noten, sind an Gymnasien und Realschulen überrepräsentiert und erreichen höhere Abschlüsse mit besserem Durchschnitten.
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Doch schaut man ein Stück weiter, so findet man eine Paradoxie: Trotz dieser besseren Zugangschancen zu Universitäten und zum Arbeitsmarkt finden junge Frauen schwerer einen gut entlohnten Arbeitsplatz. Sie arbeiten häufiger in Berufe mit wenigen Aufstiegschancen und studieren häufiger Studiengänge mit schlechten Berufsaussichten als ihre männlichen Altersgenossen. Dies liegt zum Einen daran, dass den inneren Konflikt zwischen Familie und Beruf befürchten, schließlich wird diese typisch weibliche Doppelbelastung in der heutigen Gesellschaft noch immer als das individuelle Problem jeder Frau angesehen. Zum anderen sind die Ursachen darin zu suchen, dass gerade die typisch „männlichen“ Domänen sehr zukunftsträchtig sind und junge Frauen in der Schule meist nicht dazu ermutigt werden, sich in diesen zu betätigen. Ganz im Gegenteil kriegen sie in der Schule die Differenzierung von Fachbereichen in „männlich“ und „weiblich“ sogar noch bestätigt.
Betrachtet man sich einmal diverse Statistiken zur Leistungskurswahl in der Sekundarstufe II, so stellt man fest, dass zwei mal so viele Jungen Mathe wählen (23,1 Prozent zu 12,1 Prozent) und zwei mal so viele junge Frauen Deutsch (39,5 Prozent zu 18,4 Prozent). Künstlerische und sprachliche Fächer liegen in der Gunst der Mädchen, Gesellschafts- und Naturwissenschaften in der Gunst der Jungen. Die Ursachen sind unter anderem historisch zu erklären. Während Jungen seit Entstehen der Naturwissenschaften in diesen unterrichtet werden, geschieht dies für Mädchen erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Bild der naturwissenschaftlich unbegabten Frau hat sich bis heute gehalten.

Schulbücher und Lehrpläne
Generell werden im Lehrplan Problematiken in Bezug auf das Geschlecht ausgegrenzt. So findet beispielsweise das Problem der weiblichen Doppelbelastung (Karriere und Familie) selten Platz. Auch die Vermittlung von Wissen über berühmte Frauen ist nicht vorgesehen. Beispielsweise ist in Geschichtsbüchern gerade Mal zu 1-3 % von Frauen die Rede. Weiterhin finden sich in Schulbüchern fast ausschließlich klischeehafte Frauen und Männer wieder. Es gibt in Lehrbüchern keine Identifikationsmöglichkeiten für Mädchen außer der herkömmlich stereotypisierten Frau und Jungen können/müssen sich nicht mit starken Frauen auseinander setzen.
All diese beschriebenen Prozesse, die in der gegenwärtigen Schule stattfinden, führen nicht zum Abbau von Rollenklischees, sondern zu weiteren Verinnerlichung selbiger. Wie aber kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?
Her mit dem schönen Leben!
Um Rollenklischees aufzubrechen und sie den Schüler_innen (aufklärender Weise) vor Augen zu führen, muss zunächst das Thema Geschlechterverhältnisse in der Schule thematisiert werden. Das Problem der geschlechtspezifischen Sozialisation wird dadurch allein natürlich nicht gelöst. Dazu sind Veränderungen nötig, die in alle gesellschaftlichen Bereiche eingreifen. So muss unser Bild von einer zweigeschlechtlichen Welt sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft abgeschafft und der Glaube, dass Geschlecht ein Leben lang dasselbe ist und auf einem biologischen Geschlecht beruht, beseitigt werden.
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